Was steckt psychologisch hinter dem Phänomen Tagfahrlicht ?

 

Es hat in der Vergangenheit viele Aktionen zur Verkehrssicherheit gegeben, keine war so intensiv und erfolgreich wie das Werben um ein Tagfahrlichtgebot. Was steckt eigentlich dahinter, warum fahren soviele Menschen auch bei bestem Sommerwetter mit Licht?

  1. Sicherheit nach Außen

Das Hauptargument der Sicherheit, (man werde besser gesehen; Pro) wird regelrecht ad absurdum geführt, wenn man sich die Farbwahl der Käufer für ihren PKW in Deutschland anschaut:

Wenn so vielen Menschen es als so wichtig erscheint. besser gesehen zu werden, warum werden dann immer noch 70% und mehr dunkle bis schwarze Autolacke favorisiert, wo doch jedermann weiß, dass etwa weiße, knallrote, gelbe oder gar orangefarbene Fahrzeuge immer besser erkannt werden als etwa schwarze. So sind die Fahrzeuge von ADAC gelb, vom AvD rot, von Straßenmeistereien orange und Behördendienstwagen häufig weiß. Nur der Radarwagen der Gemeinde ist wiederum dunkel, warum wohl?

Fazit 1: Lieber auffällige als dunkle Autofarben kaufen und erst dann kann man über den Sinn oder Unsinn von Tagfahrlicht entscheiden.

Im Übrigen: Wer einen PKW am Tage ohne Licht nicht sieht, der müsste eigentlich mal zum Augenarzt statt einfach seine Sehschwäche durch Fahrlicht zu kaschieren!


 

2. Angst

Viele „Taglichtfahrer“ haben die allgemeine Angst, es könnte ja mal irgendwann den Fall geben, wo es tatsächlich so wäre, dass man mit eingeschaltetem Licht einen Unfall verhindert hätte. Zweifelsfrei wird es solche Einzelfälle geben.

Aber hinterfragt die gleiche Person es auch, wenn sie mal ein Glas Wein trinkt, die Geschwindigkeit überschreitet, mit dem Handy telefoniert, den Abstand zum Vordermann verringert, den Blinker „mal“ vergisst oder gar am warnblinkenden Schulbus mit unverminderter Geschwindigkeit vorbeifährt?

Diese Fehler will man alle selbst steuern können, es geht ja auch meist gut, aber eben nicht immer. Wer macht sich schon Gedanken darüber, wenn das Licht eines ihm vorausfahrenden Motorradfahrers von einem Einbiegenden oder Überholenden mit den eigenen Lichtern des weiter dahinterfahrenden PKW verwechselt werden, besonders, wenn es sich perspektivisch bedingt an der gleichen Stelle befindet?

Oder der unbeleuchtete Fahrradfahrer, der übersehen wird, weil die ohnehin schon große Silhouette des PKW's noch durch zusätzliches Licht verstärkt wird? Beide Fälle können sogar zum Tode führen.

Diese letzte Verantwortung wird, selbst wenn man ein solch ängstliches Naturell besitzt, alleine verdrängbar sein durch die Betätigung eines Schalters?


 


 


 

3. Subjektives Sicherheitsgefühl

Man betätigt einen Schalter und schon fährt man sicher durch die Lande. Da alle Autos einen Lichtschalter haben, also Sicherheit für jedermann und jederzeit und das ohne weitere Anstrengungen: Sicherheit scheinbar per Knopfdruck.

Nun ist man auch hierzulande endlich auf den Gedanken gekommen - die immer netten und vertrauenswürdigen Skandinavier hatten uns ja schon immer einiges voraus und werden uns in vielen Dingen tagtäglich als Vorbilder genannt – immer mit Licht zu fahren.

Aber seien wir doch mal ehrlich: Diese vermeintliche Sicherheitsphilosophie (das Fahren mit Licht am Tage) führt weder dazu, dass jemand plötzlich vorsichtiger oder langsamer fährt, mehr Abstand einhält, nicht mehr mit dem Handy beim Autofahren telefoniert, vorschriftsmäßig blinkt oder gar ein Bier zum Feierabend weniger trinkt ! Das Fahrverhalten bleibt jedenfalls unverändert.


 

Und gerade in diesem Gefühl der zusätzlichen (Licht-)Sicherheit kann man sich eher dazu verleitet fühlen, risikobereiter zu fahren, man wird ja schließlich besser gesehen. Dieses wurde bereits in der Vergangenheit schon öfters beobachtet:

Beispiel 1 PKW mit ABS - Bremssystem:

In den 80er Jahren haben Autoversicherungen bei den ersten, mit ABS ausgestattenen PKW's Lehrgeld bezahlen müssen: Es gab zu Beginn 5%-10% Rabatt für PKW's mit ABS. Diese PKW'S verursachten aber dann überdurchschnittlich deutlich mehr Unfälle, als PKW's ohne ABS: der Rabatt wurde schnell gestrichen, ein Aufpreis aber nicht durchsetzbar! Die Benutzer der zweifelslos eigentlich sicheren ABS-PKW's verursachten mehr Unfälle, vermutlich durch eben ein trügerisches Sicherheitsgefühl (Risikokompensation), und eben dieses wird auch jetzt durch die TFL-Diskussion suggeriert.

Eine Studie eines Lampenherstellers und einer Versicherung prognostiziert -wenn ein Tagesfahrlicht Deutschlandweit eingeführt wird- eine Reduzierung der Unfalltoten von 5842 um 825, also um mehr als 14%. Der Lampenhersteller und die Versicherung kooperieren und gewähren ihren Kunden bei Einbau von Tagfahrlichtleuchten und gleichzeitigem Versicherungsvertrag 10% Autoversicherungsrabatt und 17% Rabatt auf die Einbaukosten: Gleiches Prinzip wie in den 80ern beim ABS, für mich persönlich ist es lediglich ein Kundenfang mit entsprechendem sattem Gewinn für beide Konzerne !

Psychologisch betrachtet gehen die meisten Verkehrsteilnehmer davon aus, dass man nicht selbst, sondern eher der andere Verkehrsteilnehmer einen Fehler macht, deshalb auch das Hauptargument, man wird von den anderen besser gesehen. Aber in welchen Verkehrssituationen soll man eigentlich vom Gegenverkehr besser gesehen werden, die Fahrspuren sind ja fest vergeben: auf der Autobahn gibt es auch keinen Gegenverkehr.

Beispiel 2 Autobahn:

Das eingeschaltete Fahrlicht (die Lichthupe ist ja verboten) zeigt meinem langsam fahrenden Vordermann meine Annäherung ja rechtzeitiger an, er sieht mich eher als wenn ich ohne Licht fahren würde: man fährt fast recht selbstsicher dichter auf. Ein erhöhtes Risiko führt zwangsweise zu einer höheren Unfallwahrscheinlichkeit. Viele schalten nur bei Schnellfahrten das Licht ein, um so besser „freie Fahrt“ zu erhalten.


 

Fazit 2: Tagfahrlicht wird zu erhöhter Risikobereitschaft führen


 

Wie sieht es im Stadtverkehr aus? Dort ist fast immer dichter Verkehr, also viele viele Lichter, vor allem Rücklichter auf seiner eigenen Fahrspur. Da auch die Bremslichter rot sind, fallen diese nun deutlich weniger auf: es kommt zu vermehrten Auffahrunfällen (Bremslichtüberdeckung). Gleiches trifft im übrigen gerade auch auf dichten Autobahnverkehr zu, mit erheblich schweren Folgen als inner einer Ortschaft.


 

Fazit 3: Auffahrunfälle werden sich häufen.


 

Etliche Länder haben ein Tagfahrlicht nur außerhalb geschlossener Ortschaften eingeführt, eben aus den o. a. Gründen. Wem nützt es aber außerorts?

In einsamen Gegenden mit wenig Verkehr ist das TFL sinnvoll, aber solche Verhältnisse gibt es bei uns kaum, in Skandinavien fast ausschließlich.

Jeder PKW hat auf den meisten Straßen in Deutschland seine eigene Fahrspur. Bei unserer hohen Verkehrsdichte hat man fast immer entgegenkommenden Verkehr, den man nur dann in großer Entfernung erkennen muss, wenn man ihn überholen möchte. Der alte, aber immer noch gültige Grundsatz beim Überholen: Im Zweifel nie! wird durch das TFL möglicherweise ausgesetzt. Auch hier wird nur der rasante, und (zu)schnell fahrende Autofahrer bevorteilt.

Sollen wir demnächst nur noch auf Lichter achten? Arme Fußgänger und Radfahrer!


 

Fazit 4: Auf dunklen, wenig befahrenen Straßen ist das TFL außerorts ggf. überlegenswert.


 

 

 

 

 

 

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© Rainer Günzel